Die Geschichte von Ayopaya

Ein persönlich gefärbter Rückblick

Prof. Dr. Joseph Renker, von 1983 – 1997 Vorsitzender des Missionskreises Ayopaya, hat beim 40jährigen Jubiläum am 20. April 2008 eine Einführung in das Thema „Die großen Werke und ihre kleinen Geschwister“ gegeben. Dieser Blick in die Geschichte des Missionskreises beleuchtet gut, welche Rolle kleine Organisationen neben den großen kirchlichen Hilfswerken spielen können.

Als der Vorsitzende, Raimund Busch, mich bat, diese Einführung zu geben, hat er dringende drei Wünsche beigefügt:

  • nicht zu wissenschaftlich

  • nicht zu viele Jahreszahlen

  • nicht zu trocken, eher heiter.

Das kann ja heiter werden; und es wird nur sporadisch. Denn 40 Jahre lassen sich nicht in 20 Minuten erfassen. Außerdem ist es rein subjektiv, … womit die erste Bedingung („nicht zu wissenschaftlich“) erfüllt wäre.

Die ersten Schritte

  • Meine Freundschaft mit Manfred Rauh geht auf mein 18. Lebensjahr zurück. Da er ein Jahr älter ist als ich, können Sie das Jahr selbst errechnen und ich brauche keine Jahreszahlen zu nennen. Anlass für unsere intensive Begegnung war eine Jugendaktion: „Briefmarken sammeln für die Mission“ (merkst du was, geneigter Hörer?).

  • Etliche Jahre später stapften vier Spätberufene im tiefen Schnee zu später Stunde an Silvester hinauf auf den Untersberg (für Andersgläubige: bei Berchtesgaden), um in der Zehnkaserhütte Abschied zu feiern vom Freund Carl Sommer, der nach Bolivien wollte.

  • Der Aufstieg war lang und beschwerlich, die Rucksäcke drückend (vor allem durch Weinflaschen). Gut waren die Nachtgespräche und sauer der Wein, zum Wegschütten.

Leitsatz für die kommenden 40 Jahre: Wer hoch hinaus will, wird leicht sauer.

  • Es folgt die altbekannte, dennoch unverzichtbare Geschichte in der Badewanne. Manfred las einen Hirtenbrief in eben dieser; im Warmbad ist ein Hirtenbrief offenbar am ehesten zu ertragen. Und: Der Geist weht, wo er will.

  • Der Geist im Hirtenbrief schrieb: Mission – eine Aufgabe für jeden Christen. Geldspende genügt nicht, personaler Einsatz ist gefragt. Manfred erkennt: Der Bischof hat recht.

  • Der Bischof selbst war dann in der Konfrontation von seinem Wort nicht mehr so überzeugt. Später allerdings schon. Und ohne, gar gegen die Kirche wollte nichts getan sein. Also doch der Hl. Geist!

  • Den Geist des Herrn erkennt man oft erst im Nachhinein. So auch, wenn sich eine ganz kleine Gruppe in der Weinstube in Bamberg traf, um an ein Organisatiönchen, evtl. an ein Vereinchen zur Unterstützung der kaum geborenen Missionsidee zu denken. Mit drei Viertel Wein, diesmal nicht sauer. Ein Wunder, wie sich diese „Räubersynode“ bis heute entwickelt hat.

Die wichtigsten Personen

  • „Wunder gibt es immer wieder …“ Ich wundere mich heute noch, wie Manfred seine ersten Mitarbeiter gefunden hat. – Bei seiner ungemeinen Hochschätzung der Frau wundern mich die Mitarbeiterinnen noch mehr. Und das Wunder, was daraus werden konnte, bis zur Treue von Schwester Verena.

  • Ja, Verena ist meine Schwester. Wieso? Sie schreibt in ihren so überaus zahlreichen (!) Briefen immer: „Lieber Bruder Sepp“. Es wird mir trotz meines Medizinstudiums immer ein Rätsel bleiben, wie meine leibliche Schwester nur sechs Wochen älter sein kann als ich. (Damit habe ich diese Jahreszahl auch übergangen).

  • Man wird nicht irren in der Annahme, dass es gerade diese und folgende Frauen waren, die erkannten, dass es auch in Bolivien Frauen gibt, – sogar in der bolivianischen Kirche und dass diese alle Förderung und Hilfe verdienen. Bis heute, wo wir erkennen, wie viel doch auch wir von ihnen lernen können.

  • Es war von Treue und Wundern die Rede. Nicht unerwähnt kann ich hier lassen: Die „Sympathisanten“, die von Anfang an mit Sympathie und Spenden das Werk begleiten und die ehemaligen und jetzigen Mitglieder des Vorstandes; die ehemaligen und heutigen MitarbeiterInnen drüben. Und alle diese Gruppen beziehen nicht Tantiemen wie bei Siemens oder Deutsche Bank!

Die stärkste Hilfe übrigens kommt von jeher nicht von großen Werken, sondern von kleinen Spendern.

  • Es zogen damals keine Beamten, sondern fünf Praktiker ins Gastland: ein praktischer Basisseelsorger und vier praktisch versierte MitarbeiterInnen. Allen war von vorneherein klar: Es geht um Evangelisierung und Entwicklung. (In dem Punkt haben so das II. Vatikanische Konzil und die folgenden päpstlichen Enzykliken allerhand vom Missionskreis gelernt).

Die Schwerpunkte

  • Zu beiden Schwerpunkten wieder je eine Anekdote:

Entwicklung und die Zuchtsau (genauer: Zuchteber).

Zur Zuchtaufbesserung wurde beschlossen, aus einem reichen Land einen stattlichen Zuchteber einzuführen. Das Experiment ging daneben; er war zu schwer. Merke: Mit fetten Kapitalisten gelingt keine wahre Entwicklung.

  • Evangelisierung und Weihnachten:

Das Evangelium war verblasst. Wenn am Heiligabend ein Indio Holzfiguren ans Feuer stellte und alle kokakauend und trinkend herum saßen, wusste niemand mehr, was das sollte und … dass es sich um Reste einer Weihnachtskrippe handelte. – Längst verkünden einheimische Frauen und Männer die Frohbotschaft von der Geburt des Erlösers, sei es als Schwestern, sei es als Landkatechisten.

Die echten Geschwister

  • Erlauben Sie mir noch ein Wort zum Titel dieser Feier: „Große und kleine Geschwister“. Zunächst erwähne ich meinen Vorgänger Pfarrer Siegfried Firsching und meinen Nachfolger Raimund Busch. Wir machen uns heute kaum mehr eine Vorstellung, was es brauchte, um vor über 40 Jahren aus einem Häufchen naiver Gutwilliger einen funktionierenden Verein und aus einer Privatinitiative eine Verbindung mit der Gesamtkirche, sprich: mit den existierenden Missionswerken zu schaffen, dann zu vertiefen und zu erhalten!

Dennoch: Die eigentlichen Geschwister sind weder Institutionen noch Vereine; die eigentlichen Geschwister sind die Menschen. Wir haben gelernt, die Geschwister zu lieben.

Die Menschen, um die es geht

  • Es fällt mir schwer, die vielen Dienste an den Armen und Kranken, an Kindern in Kindergarten, Schule und Internat, an Studienwilligen und der ehemals schier vergessenen Landbevölkerung hier nur zu streifen. Die Zeit hier erlaubt nicht mehr; es gäbe ein mehrbändiges Werk.

Weg und Ziel

  • Mit einem kleinen Erlebnis will ich (zunächst?) schließen. Manfred hat es mir erzählt:

Er hat sich bei einem Seelsorgebesuch in ganz abseitiger Siedlung verspätet. Auf dem Fußweg zurück wird es stockdunkel. Kein Pfad mehr zu sehen, rechts gähnt der Abgrund. Auf Knien, mit der Hand den Weg ertastend, kriecht er zurück bis zum Jeep.

Mir kommt es symbolisch vor: unterwegs zur Familie von Unglücksopfern, zu Krankendienst und Sakrament. Ringsherum oft dunkel, der Weg ist weder kirchlich noch weltlich vorbeleuchtet, mancher Abgrund.

Der Weg, keine Jubelprozession! Weiterkriechen bis zur Station! Sie heißt für uns: Osterlicht.

Prof. Dr. Joseph Renker