Reichenhofen hilft mit einem Weihnachtsmarkt den Menschen in Bolivien

REICHENHOFEN bei Leutkirch im Allgäu – Diese Ortschaft hält zusammen, wenn es um Hilfe für Menschen geht, denen es nicht so gut geht wie uns. Besonders zu den bevorstehenden Feiertagen erwachen diese Gedanken, doch in Reichenhofen bleibt es nicht bei Gedanken: Das Dorf wird aktiv und veranstaltet zu Gunsten der Armen in Bolivien zum ersten Mal einen idyllischen Weihnachtsmarkt.

„Das Hilfs- und Entwicklungprojekt für Bolivien wurde von unserem damaligen Pfarrer Dagobert Schwarz ins Leben gerufen, der dieses südamerikanische Land Anfang der 90er Jahre des öfteren bereist und auch verschiedene Projekte vor Ort begleitet hat. Damals war Josef Rauch aus Leutkirch im Gebiet Ayopaya/Cochabamba als Entwicklunshelfer tätig. So wurden Projekte für Wasserversorgung, landwirtschaflichen Anbau, Werkstätten und Stickarbeiten für die Hilfe zur Selbsthilfe ins Leben gerufen“, schildert Kurt Widler aus Reichenhofen die Entstehung des Hilfsprojekts. Der Erlös aus dem ersten Reichenhofener Weihnachtsmarkt am Samstag, 13. Dezember, beim Pfarrstadel soll nicht nur die Dorfgemeinschaft stärken, sondern vor allem das Bolivienprojekt unterstützen. Josef Rauch hat Ende November bereits den Ministranten und den Schülern der Grundschule Reichenhofen und damit der jungen Generation mit einem Dia-Vortrag  erklärt, wie wichtig die Hilfe aus dem Allgäu ist. Er wird auch am Weihnachtsmarkt ab 16 Uhr persönlich vor Ort sein und zu allen Fragen Rede und Antwort stehen.

Idee zum Weihnachtsmarkt entsteht

Vor rund zehn Jahren hatten ein paar Musiker der Musikkapelle Reichenhofen die Idee, an Weihnachten von Haus zu Haus zu ziehen und mit weihnachtlichen Weisen um kleine Spenden zu bitten. Naheliegend war, diese Spenden für das immer noch bestehende Hilfsprojekt in Ayopaya und Cochabamba zu sammeln. Damals erspielten die Musikanten auf Anhieb 553 D-Mark. Die Idee fand auch rund um Reichenhofen großen Anklang und alle vertrauten diesem Projekt. Die Spendensumme steigerte sich Jahr um Jahr, und bis heute kamen durch verschiedene Aktionen und das weihnachtliche Musizieren schon über 14 000 Euro zusammen.

Erst in diesem Sommer haben Birgitta Dolp, Claudia Eberle, Bärbel Roggors und Susanne Brack das Thema Weihnachtsmarkt konkret aufgegriffen und die ersten Strukturen für das Vorhaben erarbeitet. Es sprach sich im Dorf herum und immer mehr Leute waren davon begeistert. Die Kinder im Kindergarten, die Schüler der Grundschule, die Ministranten, die örtlichen Vereine bis hin zum Ortvorsteher sind nun alle an den Vorbereitungen beteiligt. Alle ziehen an einem Strang, egal ob Patchwork-Frauen, Landjugend, Musikkapelle, der Sportverein, der Kinder-, Kirchen- und Männerchor, die Landfrauen, viele private Personen und Familien wollen sich beteiligen und haben Ideen eingebracht. Sogar der örtliche Gastwirt vom „Bären“ spendet zwei große Töpfe Eintopf zum Weihnachtsmarkt. So werden die Beteiligten den Aufbau, die musikalische Umrahmung, das Kulinarische vom Glühwein über Steckenbrote, Würstchen und andere Leckereien in die Hand nehmen und organisieren. Ausserdem gibt es beim Weihnachtsbazar Bastel- und Patchwork-Arbeiten, allerlei Weihnachtliches und Geschenkartikel und natürlich auch Produkte aus Bolivien zu erwerben. Daneben gibt es einen Christbaumverkauf und eine Märchenfee wird für Kinder weihnachtliche Märchen erzählen. Die ganze Dorfgemeinschaft beteiligt sich intensiv am ersten Reichenhofer Weihnachtsmarkt und freut sich, wenn möglichst viele Besucher kommen und damit das Hilfsprojekt in Bolivien unterstützen. Im Foyer des Pfarrstadels gibt es an Schautafeln viele Infos zu der Bolivienhilfe. Passend zum Anlass wird am Dorfplatz vor dem Pfarrstadel erstmalig ein Christbaum aufgestellt, der mit selbstgebasteltem Christbaumschmuck von den Dorfkindern geschmückt wird.

Direkte Übergabe der Spenden

Alle Spendengelder aus Reichenhofen werden zum Teil direkt überbracht oder über den Missionskreis Ayopaya aus Nürnberg nach Bolivien gesandt, der diesen Herbst schon sein 40-jähriges Bestehen feiern konnte. Die Reichenhofer geben ihre Spenden für aktuelle Projekte, die gerade anstehen wie zum Beispiel zur Wasserversorgung oder neue Essensausgaben, Schulinventar oder als Beihilfe zur schulischen Ausbildung der Kinder. In den letzten Jahren gingen die Erlöse in den Sozialfond von Schwester Verena, die schon  40 Jahre im Entwicklungsgebiet tätig und für die Betreuung der Internate und die Unterbringung der Kinder zuständig ist. Kinder, deren Eltern ums Leben kamen, Kinder, die verunglückten und niemals eine Chance hätten medizinisch versorgt zu werden, und alte Menschen, die keine Möglichkeit mehr haben sich selbst zu versorgen, bekommen Hilfe aus dem Projekt. Die Liste der betreuten Fälle umfasst etwa 80 bis 100 Personen, die direkte Hilfe in Form von Geld, medizinischer Versorgung und Lebensmittel bekommen.

Ein Beispiel: Im Frühjahr ereignete sich ein schrecklicher Busunfall auf dem Weg nach Machaca. Mehrere Schüler verunglückten schwer und ein elfjähriges Mädchen hatte beide Beine und einen Arm gebrochen. Eine siebenjährige erlitt einen Schädelbasisbruch und musste dringend nach Cochabamba ins Hospital zur Operation. Ein weiteres Mädchen wird wahrscheinlich ein Bein verlieren. Die Väter schickten ein Bittgesuch an Schwester Verena und baten dringend um finanzielle Unterstützung und Hilfe.

„Allein dieses Geschehen zeigt, wie dringend unsere Hilfe ist“, sagt Josef Rauch aus Leutkirch und freut sich auf viele Besucher und Förderer für Bolivienprojekte.

Carmen Notz